Schulbücher von 1871 bis 1945

 

Das Kaiserreich (1871-1918)

 

(1) Preußischer Generalfeldmarschall Gebhard Leberecht von Blücher (1742-1819)

 

[W]ir sollen nationale junge Deutsche erziehen und nicht junge Griechen und Römer. […] Bedenken Sie, was uns für ein Nachwuchs für die Landesverteidigung erwächst. Ich suche nach Soldaten, wir wollen eine kräftige Generation haben, die auch als geistige Führer und Beamte dem Vaterlande dienen.[1]

 

Die Befreiungskriege als Manifestation des Wunsches nach nationaler Einheit

Die Beseitigung so vieler deutscher Kleinstaaten erleichterte die Einigung des deutschen Volkes. […] Der Erfolg entsprach den Opfern nicht: das deutsche Volk erlangte nicht die sehnlichst erstrebte nationale Einigung.[2]

 

Luise von Preußen - die "Mutter der Nation"

 

(2) Königin Luise von Preußen (1776-1810)

 

Die borussische Historiographie sah in Königin Luise von Preußen eine Schlüsselfigur der Befreiungskriege. Die preußische Monarchin trat anstelle ihres Mannes für ihr Land in Verhandlung mit Napoleon mit der Bitte eines milden Friedens (Frieden von Tilsit). Mit der Hohenzollernfürstin wird eine Verbindung zwischen dem Mythos der deutschen Nationalbewegung und jenem der Monarchie Preußens hergestellt. Der in den Befreiungskriegen erstmals manifestierte Wunsch nach nationaler Einheit konnte durch die Einigung des Reiches „von oben" im Jahr 1871 realisiert werden.

 

Luise zu ihren Söhnen:

Weint meinem Andenken Tränen, wie ich sie jetzt dem Umsturze meines Vaterlandes weine! Aber begnügt euch nicht mit den Tränen allein, handelt, entwickelt eure Kräfte! Vielleicht läßt sich Preußens Schutzgeist auf euch nieder! Befreit dann euer Volk von der Schande, dem Vorwurfe der Erniedrigung, worin es schmachtet.[3]

 

Kaum war sie [Luise] genesen, so erschütterte der Friede von Tilsit, […] ihre Gesundheit von neuem. […] Um den verarmten Vaterlande zu Hilfe zu kommen, wurde das große goldene Tafelgeschirr, ein Erbstück der Väter, in die Münze geschickt […]. Sie [Luise] behielt nur einen Schmuck von Perlen; 'denn Perlen', sagte sie, 'bedeuten Tränen und ich habe deren viele vergossen'.[4]

 

Fazit: Durch die Vermittlung „deutscher Tugenden" wie Gehorsam, Freiheits- und Vaterlandsliebe, Gottesfurcht sowie Opferungsbereitschaft zielte der Geschichtsunterricht darauf ab, das deutsche Nationalgefühl bei den Schülerinnen und Schülern zu wecken, durch welches sie das Kaiserreich durch Wort und Tat verteidigen sollten.

 


 

Die Weimarer Republik (1918-1933)

 

Das Erwachen des Nationalgefühls der Völker

Unter dem despotisch zusammengehaltenen 'Paneuropa' Napoleons erwachte das Nationalgefühl der breiten Massen, die die Französische Revolution zu politischen Handeln aufgerufen hatte. In Spanien erhob sich das Volk unter Führung der Priester für sein Herrscherhaus, für Katholizismus und Papsttum, gegen Fremdherrschaft und Aufklärung (1808). Napoleon selbst eroberte vornehmlich mit Rheinbundtruppen Madrid. Aber seine Generäle konnten des Kleinkrieges nicht Herr werden. Dazu landeten die Engländer unter Wellington Hilfstruppen für die Aufständischen. So widerstand Spanien als erstes Land der Macht Napoleons.[5]

 

Die Befreiungskriege als Offenbarung „deutscher Tugenden"

Der beispiellose Opfermut des ganzen preußischen Volkes war die Frucht der Erziehungsarbeit Steins, Scharnhorsts, Fichtes, Jahns und der anderen. Von 4,5 Millionen Einwohnern stellte Preußen im Laufe des Krieges 1/4 Millionen unter Waffen. Die religiöse, opfernde Begeisterung für die Freiheit der Heimat schuf ein Volk. Über der Freiheit Preußens leuchtete als ferneres Ziel der Aufbau eines neuen, freien und einigen Deutschen Reiches, wenn auch zu Beginn des Befreiungskampfes der größere Teil des deutschen Volkes noch auf Seiten Napoleons kämpfte.[6]

 

Notwendigkeit der Neubetrachtung der Befreiungskriege?

Kein Wunder also, dass das überlieferte Geschichtsbild ins Wanken geraten ist und dass wir über so viele Epochen gerade des letzten Jahrhunderts sehr viel weniger selbstsicher urteilen, als dies noch in den Jahren vor dem Kriege der Fall gewesen ist.[7]

 

Fazit: Der Geschichtsunterricht soll "die Fähigkeit zur Erkenntnis geschichtlicher Zusammenhänge entwickeln, die Heimat- und Vaterlandsliebe wecken und stärken und zu wissenschaftlicher Sachlichkeit, Gerechtigkeit und Unparteilichkeit und dadurch zu echter Staatsgesinnung erziehen."[8] "Der Schüler mag den Gedanken mit in das Leben nehmen, dass der Staat das mächtigste Kulturwerk seines Volkes ist, aber dazu muss der die Kräfte der inneren Entwicklung, die staatliche Kultur und auch etwas von dem Rahmen der anderen Völker kennenlernen."[9]

 


 

Die NS-Zeit (1933-1945)

 

Ziel der Vorgabe

Vermittlung der Unvermeidlichkeit von militärischer Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Völkern als Teil der natürlichen Selbsterhaltung.

 

Beispiel aus Funkes Geschichtserzählungen

Frühling 1813! Preußen erhebt sich gegen den Unterdrücker Napoleon! In ernsten feierlichen Worten ruft der König sein Volk zu den Waffen: 'Es ist der letzte entscheidende Kampf. Keinen anderen Ausweg gibt es als einen ehrenvollen Frieden oder einen ruhmvollen Untergang. Auch diesem würdet ihr getrost entgegengehen, weil ehrlos der Deutsche nicht zu leben vermag.' Da tönt ein einziger Jubelruf durch das ganze Preußenland. 'Zum Kampfe!' schallt es von der Memel bis zum Rhein.[10]

 

Ziel der Vorgabe

Nationalität und Volkszugehörigkeit sollen im Wesentlichen die Identität bestimmen.

 

Beispiel aus Funkes Geschichtserzählungen

Alle strömen zu den Fahnen, Männer mit grauen Haaren, Primaner frisch von der Schulbank. Der Bauer verläßt den Pflug, der Handwerker schließt seine Werkbank. Die Studenten und Professoren hält es nicht mehr im Hörsaal; selbst junge Mädchen ziehen Männerkleidung an und melden sich beim Heer.[11]

 

Ziel der Vorgabe

Förderung der Gehorsamkeit und Vaterlandsliebe.

 

Beispiele aus Funkes Geschichtserzählungen

Bei Leipzig auf dem Plane, o herrliche Schlacht! // Da brach er den Franzosen das Glück und die Macht, // Da lagen sie sicher nach blutigem Fall, // Da ward der Herr Blücher ein Feldmarschall.

Ein Soldat und Feldherr, entflammt von der Not seines Staates und Volkes, stürmischer Angreifer ohne Ansehen des Gegners, wurde Gebhard Leberecht Fürst von Blücher der unangenehmste, gefährlichste und schließlich entschiedenste Gegner Napoleons. Für alle Zeiten und alle Völker ist der Name des Marschall Vorwärts Begriff.[12]

 

Fazit: Der Geschichtsunterricht soll auf "den schicksalhaften Daseinskampf der Völker" hinweisen. Der Geschichtsunterricht "baut auf der naturgegeben Verbundenheit des Kindes mit seinem Volke auf" und verweist auf "die Verpflichtung jedes einzelnen gegenüber dem Volksganzen". "Sein letztes Ziel ist, die Kinder bereits in diesem frühen Alter für unser Volk und seinen Führer zu begeistern."[13]

 

Autorinnen und Autoren: Josephine Egenolf, Jonas Gehring, Kathrin Hanstein, Bettina Krail, Mario Schäfer, Christoph Wünnemann

 


 

Fußnoten

 

[1] Eröffnungsansprache Kaiser Wilhelms II. zur Reichsschulkonferenz in Berlin 1890. In: Giese, Gerhardt (Hrsg.): Quellen zur deutschen Schulgeschichte seit 1800. Göttingen 1961, S. 196-198.

[2] Hoffmeyer, Ludwig [u.a.]: Geschichte für Mittelschulen. Oberstufe. Breslau 1911, S. 233f.

[3] Christensen, Heinrich: Lehrbuch der Geschichte für höhere Mädchenschulen. Griechische und römische Sagen und Erzählungen, Deutsche Sagen, Lebensbilder aus der brandenburgisch-preußischen Geschichte. Leipzig 1910, S. 73.

[4] Ebd., S. 74.

[5] Gehl, Walther: Geschichte für höhere Schulen. Oberstufe. Breslau 1933, S. 102.

[6] Ebd., S. 109.

[7] Schnabel, Franz: Der neue Geschichtsunterricht. Lehrerbuch zum Grundriß der Geschichte für die Oberstufe. Leipzig 1928, S. 259.

[8] Gehl, Geschichte, S. 48.

[9] Opitz, Walter: Tatsachen der Geschichte. Ein einheitliches Grund- und Hilfsbuch für den Geschichtsunterricht auf Mittel- und Oberstufe höherer Lehranstalten. Leipzig 1925, S. 8.

[10] Funke, Hermann: Geschichtserzählungen. Leipzig/Berlin, 2. Aufl. 1941, S. 60.

[11] Ebd.

[12] Ebd., S. 61

[13] Reichs- und Preußischen Ministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung: Erziehung und Unterricht in der Höheren Schule. Berlin 1938, S. 69.

 

Quellen und Schulbücher/Lehrpläne

 

Kaiserreich

 

Quellen

Eröffnungsansprache Kaiser Wilhelms II. zur Reichsschulkonferenz in Berlin 1890. In: Giese, Gerhardt (Hrsg.): Quellen zur deutschen Schulgeschichte seit 1800. Göttingen 1961.

 

Schulbücher/Lehrpläne

Christensen, Heinrich: Lehrbuch der Geschichte für höhere Mädchenschulen. Griechische und römische Sagen und Erzählungen, Deutsche Sagen, Lebensbilder aus der brandenburgisch-preußischen Geschichte. Leipzig 1910.

Hoffmeyer, Ludwig [u.a.]: Geschichte für Mittelschulen. Oberstufe. Breslau 1911.

Keller, Ernst: Lehrbuch für den Geschichtsunterricht an Lyzeen und höheren Mädchenschulen. Frankfurt am Main/Berlin, 6. Aufl. 1912.

Neubauer, Friedrich: Lehrbuch der Geschichte für höhere Lehranstalten. Vom Westfälischen Frieden bis auf unsere Zeit. Halle an der Saale, 16. Aufl. 1914.

Rothert, Eduard: Historisches Kartenwerk. Karten und Skizzen aus der vaterländischen Geschichte der letzten 100 Jahre. Bd. 4. Düsseldorf 1894.

 

Weimarer Republik

 

Schulbücher/Lehrpläne

Gehl, Walther: Geschichte für höhere Schulen. Oberstufe. Breslau 1933.

Opitz, Walter: Tatsachen der Geschichte. Ein einheitliches Grund- und Hilfsbuch für den Geschichtsunterricht auf Mittel- und Oberstufe höherer Lehranstalten. Leipzig 1925.

Schnabel, Franz: Der neue Geschichtsunterricht. Lehrerbuch zum Grundriß der Geschichte für die Oberstufe. Leipzig 1928.

 

NS-Zeit

 

Schulbücher/Lehrpläne

Funke, Hermann: Geschichtserzählungen. Leipzig/Berlin, 2. Aufl. 1941.

Reichs- und Preußischen Ministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung: Erziehung und Unterricht in der Höheren Schule. Berlin 1938.

 

Bildnachweise

 

(1) Schloss Charlottenburg: Field marchal Gebhard Leberecht von Blücher on a horse. In: TripAdvisor Deutschland. URL: https://www.tripadvisor.de/LocationPhotoDirectLink-g187323-d242760-i293318987-Charlottenburg_Palace-Berlin.html (Aufruf am 31.05.2018).

(2) Jamrath, F./Sohn Berlin: Queen Luise of Prussia 1776-1810; nee Luise of Mecklenburg-Strelitz. In: Wikimedia Commons. URL: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:K%C3%B6nigin_Luise_von_Preu%C3%9Fen.jpg (Aufruf am 09.05.2018).